David Steffelbauer ist seit Mai 2022 Leiter unserer neuen Forschungsgruppe „Hydroinformatik“. Um David vorzustellen, zu verstehen, was ihn antreibt, und einen Einblick in die Hydroinformatik zu bekommen, haben wir ihm einige Fragen gestellt:
David, was hat dich zur Hydroinformatik und schließlich zum KWB gebracht?
Studiert habe ich eigentlich technische Physik an der TU Graz in Österreich. Dann habe mich auf theoretische Physik und Computerwissenschaften spezialisiert und meine Diplomarbeit zum Thema „Andreev-Reflection in One-dimensional Quantum Systems“ geschrieben. Nebenbei arbeitete ich als Studienassistent am Institut für Siedlungswasserwirtschaft, wo ich Programme zur Datenübertragung und Analyse von Echtzeitdaten von Kläranlagen und Kanälen schrieb. Von Anfang an faszinierte mich, wie wichtig und gleichzeitig verborgen die Themen der Siedlungswasserwirtschaft in unserer Gesellschaft sind. Zusätzlich erkannte ich, wie unterentwickelt der Fachbereich in puncto Digitalisierung ist und wie viel Impact man mit etablierten und simplen Algorithmen aus der Physik oder Computerwissenschaften haben kann. Nach ein paar Umwegen entschied ich mich für ein Doktorat zum Thema modellbasierte Leckdetektion und -lokalisierung in Trinkwassernetzen, gewissermaßen mein Startschuss in der Hydroinformatik. Nach Projekten in Österreich und China während meines Doktorats kam ich im Zuge eines Marie-Curie PostDoc Stipendiums in die Niederlande an die TU Delft und die Universität Leiden. Im Anschluss wechselte ich nach Norwegen, wo ich an der NTNU in Trondheim als Associate Professor für „Hydroinformatik in intelligenten Wassersystemen“ arbeitete.
Da die Uhren im Universitätsbereich manchmal langsamer ticken (z.B. haben Projekte lange Vorlaufzeiten) und die Probleme oft mehr theoretischer als praktischer Natur sind, wurde ich neugierig, wie es im Feld der angewandten Wissenschaft aussieht. Da kam mir das KWB gerade recht. Nach meinen ersten Treffen war ich mir 100 % sicher, dass das KWB der ideale Ort ist, schnell und unbürokratisch innovative Lösungen für praktische Probleme im Wasserbereich zu entwickeln. Also genau der Ort, den ich so lange gesucht habe, um maximalen Impact für die Gesellschaft mit meiner Forschung zu generieren.
Was ist eigentlich die Hydroinformatik?
Hydroinformatik setzt sich aus zwei Wörtern zusammen, „Hydro“ für Wasser und „Informatik“ für Computerwissenschaften, oder ICT (Information und Communications Technology). Eigentlich also zwei Themen, die sich auf den ersten Blick nicht so gut miteinander vertragen. Bisher kenne ich noch keine strikte Definition, aber in meinem Verständnis ist Hydroinformatik die Wissenschaft, die sich damit beschäftigt, Algorithmen (z.B. Data Science, Machine Learning, AI, Optimierung) zu verwenden, um dringende Wasserprobleme zu lösen - und von denen gibt es mehr als genug.
Warum ist die Hydroinformatik gesellschaftlich relevant?
Im Wasserbereich gibt es etliche Herausforderungen: Klimawandel, Verschmutzungen, soziale Herausforderungen, finanzielle Einschränkungen, zu niedrige Investitionen, Urbanisierung, alternde Infrastruktur... im worst Case: Weniger Ressourcen bei einem gleichzeitig steigenden Wasserbedarf.
Durch die digitale Revolution der letzten Jahrzehnte – zum Beispiel das exponentielle Wachstum der Computerpower, immer mehr Sensoren (etwa durch das Internet of Things) und enorme Datenmengen - sowie durch den Erfolg von künstlicher Intelligenz in fast allen Lebensbereichen ergeben sich unzählige Möglichkeiten zur Entwicklung kostengünstiger Lösungen, um die Herausforderungen im Wasserbereich zu managen. Wir haben die große Chance, unsere bestehenden Systeme und Ressourcen besser zu nutzen. Und genau damit beschäftigt sich die Hydroinformatik.
Welche konkreten Projekte wird die Gruppe angehen?
Am Anfang werden wir uns mit dem Thema Asset Management beschäftigen und zwar mit der Weiterentwicklung unserer Lösung zur Zustandsentwicklung von Kanälen, SEMAplus. Dann werden wir schnell sehen, wo die Reise hingeht. Ideen sind schon mehr als genug vorhanden, und jeden Tag kommen neue hinzu.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit unseren anderen Gruppen?
Die Zusammenarbeit am KWB ist mit allen einfach großartig. Man sieht selten ein Team, dass mit einer so großen Leidenschaft bei der Sache ist. Und mit jedem Gespräch, das ich hier mit den Leuten führe, kommen neue Ideen hinzu, an was wir in Zukunft gemeinsam arbeiten könnten.
Grundsätzlich sehe ich in jedem Forschungsschwerpunkt des KWB eine Verbindung zur Hydroinformatik, da jede Gruppe mit Daten und/oder Simulationsprogrammen arbeitet und somit von der Anwendung von digitalen Tools, Data Science, Machine Learning usw. profitieren wird. Deswegen freut es mich besonders, dass die Hydroinformatik als strategische Querschnittsgruppe gedacht ist und ich somit die Möglichkeit habe, mit allen anderen Forschungsbereichen am KWB interdisziplinär zusammen arbeiten zu können.